Im Zeichen der Maus
Text: Elke Esser-Weckmann
Ein Mensch hat durch den rasch aufeinander folgenden Tod der Mutter und des Bruders den Halt verloren. Er schafft sich – zur Ablenkung und als Gesellschaft – Farbmäuse an. Diese befreien sich irgendwann aus ihrem Käfig, breiten sich in der Wohnung aus und vermehren sich. Rasch, sehr rasch! Lange Zeit ist es dem Menschen egal und er ist nicht fähig zu handeln. Ende Juni dann sieht er ein, dass es so nicht weitergehen kann und wendet sich um Unterstützung an das Essener Veterinäramt. Das Veterinäramt bittet den Tierschutzverein um Hilfe; der sofortige Einsatz eines Kammerjägers kann verhindert werden.
Von da an stand die Arbeit der Kleintierabteilung und der Tierarztpraxis im Albert-Schweitzer-Tierheim im Zeichen der Maus. Es wurde unverzüglich damit begonnen, die Mäuse aus der Wohnung zu holen, medizinisch zu versorgen, zu kastrieren und zu vermitteln. Erste Schätzungen gingen von rund 500 Farbmäusen aus, die es zu evakuieren galt. Für alle beteiligten Mitarbeiter*innen des Essener Tierheims eine große körperliche, aber auch emotionale Belastung.
Die Natur nimmt ihren Lauf
Allen war klar, dass, solange noch Möbel, Fußbodenbeläge und andere Einrichtungsgegenstände in der Wohnung verblieben und als Versteck für die kleinen Nager dienten, die Geschwindigkeit der unkontrollierten Vermehrung die Zahl der zu bergenden Mäuse in kurzer Zeit immer weiter erhöhen würde. Denn: Nach knapp 3-wöchiger Tragezeit werden pro Mäusemutter 4-14 Mäusewelpen geboren. Diese sind ebenfalls nach 3 Wochen geschlechtsreif. Die Mäuseweibchen können bereits am Tag nach dem Gebären ihrer Welpen wieder gedeckt werden. Und so war dann auch der erste Befund der Kleintierpflegerinnen im Tierheim: „Ein Großteil der Weibchen sind trächtig oder hoch tragend, die Männchen alle nicht kastriert“.
Zum Glück fanden die Essener Tierschützer einen tierlieben Unternehmer, der die stark verschmutzte Wohnung von Einrichtungsgegenständen weitgehend räumte und den Zugriff auf die Mäuseschar erleichterte.
Dank an alle Unterstützer
Großartige Hilfe und Unterstützung bekamen die Essener Tierschützer von den Spezialvereinen „Mäuseasyl – das Original“ und „Puschelhilfe“ sowie von einigen anderen Tierschutzvereinen. Ehrenamtliche fuhren quer durch Deutschland und transportierten Hunderte der kleinen Felltiere nach Dresden und Berlin, nach Hamburg und nach München und sogar in die Schweiz, um sie auf Pflegestellen und Endstellen zu verteilen. Um Finanzmittel für die Kastration der Böckchen zu organisieren oder für einzelne Mäuseleben unmittelbar Schicksal zu spielen (siehe Kasten).
Dobby und die Tasse Espresso
So schreiben die Tierfreunde von „Mäuseasyl – das Original“ auf ihrer Facebook-Seite: „Liebes Tierheim Essen, könnt Ihr bitte den Mitarbeitern, die am Samstag auf meine Bitte nach einem Espresso ganz hektisch in ihren Taschen nach Kleingeld gekramt haben, was ausrichten? Der kleine Mäuserich, für den der Kaffee war, ist über den Berg. Ihr habt ihm mit diesen 50 Cent wahrscheinlich das Leben gerettet!“ Und das ist der Hintergrund: Wie beim Menschen hat Kaffee auch bei Mäusen eine kreislaufanregende Wirkung. Er hilft, den mäusischen Kreislauf zu stabilisieren und eignet sich ebenfalls für Farbmäuse mit akuter Atemnot. Der Mäuserich trägt nun den Namen „Dobby“.
Viele Einzelpersonen fanden ebenfalls den Weg ins Essener Tierheim und nahmen kleine Gruppen von (kastrierten) Maus-Böckchen oder Weibchen der wirklich liebenswerten, erstaunlich zahmen und zum Menschen freundlichen Mäuse bei sich auf. Last but not least dankt der Tierschutzverein Groß-Essen e.V. dem Deutschen Tierschutzbund für die gewährte Unterstützung.
Fazit
Innerhalb von vier Wochen konnten auf diese Weise rund 1.150 Mäuse aus der Wohnung gerettet werden. Rund 200 Mäusewelpen kamen im Tierheim zur Welt. Aber viele der kleinen Felltiere kämpften auch um ihr Leben. 160 Mäuse verstarben beim Transport oder mussten im Tierheim erlöst werden.
Wie viele Mäuse letztlich in der Wohnung lebten, wird wohl immer unklar bleiben. Nur eins war irgendwann gewiss: Der Einsatz des Kammerjägers ließ sich auf Dauer nicht aufhalten!